post scriptum – wer fragt, wird schlau | Apotheke an der Kaiserstraße

Apotheke_Beitragsbild

Die Apotheke an der Kaiserstraße blickt auf eine 148-jährige Geschichte zurück, die spannend und bewegt ist. Das Gegensätzliche macht sie so interessant: Die Verknüpfung von Einzelschicksalen, die sich zu einem einzigen starken Band formen, das sich wie ein roter Faden durch die Historie dieses Hauses zieht: In dieser Apotheke arbeiten seit 1869 Menschen zum Wohle der Gesundheit der BewohnerInnen des 7. Bezirks.

Kaiserstraße, Ecke Burggasse. Öffnet sich die Schiebetüre, gelangt man in den hohen, weißen Raum, in dem es herrlich nach Apotheke riecht. Sie wissen, was ich meine: Das Vermischen von Düften, die beim Anrühren von Cremes und dem Mischen von Tees entstehen oder beim Öffnen eines Traubenzuckerglases süßlich herausströmen. An den Wänden stehen alte, dunkle Vollholzschränke, die sofort Vertrauen in das hier beheimatete Wissen wecken und mir wird einmal mehr klar: Tradition hat ihren Wert.
Im hinteren Bereich sind mit einer hohen Schiebeleiter penibel sortierte Laden erreichbar, der Arbeitstisch gleicht einem chemischen Labor. Fünfmal täglich kommt der Lieferdienst des Großhandels und bringt die Medikamente, die das Apotheken-Team rund um Lydia Wasilewski für KundInnen bestellt hat. Spätestens innerhalb von zwei Stunden hat man also alles, was man benötigt, um gesund zu bleiben oder es auf schnellstem Weg zu werden.

Apotheke an der Kaiserstraße_© Veronika Fischer_3

Von der „Apotheke zur Barmherzigkeit“ zur „Apotheke an der Kaiserstraße“

Die Geschichte des Hauses beginnt im Jahr 1869, als die Niederösterreichische Statthalterei die Genehmigung zur Errichtung einer Apotheke in der Kaiserstraße 76 unter dem klingenden Namen „Zur Barmherzigkeit“ erteilte, die zwei Jahre später durch Johann Nilz eröffnet wurde. Noch im selben Jahr wechselte sie ihren Standort und zog schlussendlich 1887 unter der Führung des in Wien bekannten Pharmazeuten Julius Herbabny in jenes Haus, in dem Sie sie noch heute besuchen: Kaiserstraße 73-75.

Apotheke an der Kaiserstraße_© Veronika Fischer_1Vor fast 125 Jahren, im Jahr 1893, übernahm Alois Hellmann die Apotheke von seinem Freund und Berufskollegen – auch er war, wie Julius Herbabny, eine Größe seines Metiers: Alois Hellmann war vier Jahre lang mit der Organisation und Leitung der Medikamenteneigenregie in den Wiener k. k. Krankenanstalten betraut, hatte das Amt des Präsidenten der Österreichischen-Pharmazeutischen Gesellschaft inne und war darüber hinaus außerordentliches Mitglied des Obersten Sanitätsrats und Gründer der „Pharmazeutischen Post“. Außerdem war er elf Jahre lang Mitglied des Gremialausschusses. Der Pharmazeut erhielt 1898 in Anerkennung seiner Verdienste um das österreichische Apothekenwesen das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens.
Nach seinem Tod im Jahr 1903 wurde die Apotheke als Witwenbetrieb weitergeführt, bevor 1913 der Sohn des Ehepaars, Hans Hellmann, das Erbe seines Vaters antrat. Als Konsequenz seines frühen Ablebens übernahm seine Tochter mit nur 25 Jahren im Jahr 1938 die Leitung der Apotheke und führte sie bis 1996 (!). In das neue Jahrtausend wurde sie von Pharmazeutin Lydia Wasilewski getragen, die bis heute die Besitzerin und Leiterin der traditionsreichen Apotheke ist.

Ein neuer Name, ein neues Zeitalter

Nach ihrem Aspirantenjahr fing Lydia Wasilewski 1990/91 als Angestellte von Frau Hellmann an, erwarb 1994 zunächst einen Anteil an der Apotheke und übernahm sie Mitte 1996 vollständig. Mit der Übergabe ging auch die Umbenennung von der „Apotheke zur Barmherzigkeit“ zur „Apotheke an der Kaiserstraße“ einher. Über den einstigen Namen erzählt sie: „Die Apotheke hieß ‚zur Barmherzigkeit‘, weil an der Hausecke früher eine Statue des Barmherzigen Samariters angebracht war. Diese ist, wie auch die die schönen Stuckelemente, sicherlich ein Opfer des Weltkrieges geworden. Es gibt im Bauakt noch Pläne, wie schön das Haus früher ausgesehen hat. Da der Stuck in schlechtem Zustand war, hat man sich im Modernisierungswahn der 70er Jahre dazu entschlossen, alles abzuschlagen.“ Altmieter des Hauses berichten, dass das Haus damals sogar als Paradebeispiel dafür, wie schön glatt man eine Fassade herrichten konnte, Schlagzeilen machte. Mit dem Verschwinden der Statue, war der Name zum Relikt geworden.

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Erhalten blieb jedoch die über 100 Jahre alte Geschäftsausstattung, die noch heute sehr hoheits- und würdevoll Tuben, Tiegel, Päckchen und Schachteln beherbergt.

„Es hat mir immer großen Spaß gemacht, Menschen zur Gesundheit zu verhelfen“, erklärt Lydia Wasilewski ihren Beweggrund Pharmazie zu studieren. „Pharmazie umfasst Botanik, Somatologie und viel Chemie, die im weiteren Verlauf weniger wichtig ist. Das einzige, was man im Studium nicht lernt ist der Umgang mit Menschen. Das muss man selbst mitbringen.“

Beruf, Berufung und neue Wege

Die Wahrnehmung des Apothekers ist beim Verbraucher sicherlich sehr unterschiedlich: Die einen sehen ihn ihm einen Arztersatz, die anderen lediglich einen Erfüllungsgehilfen, der ausgibt, was auf dem Rezept steht. Fakt ist, dass Pharmazeuten eine unabdingbar notwendige Schnittstelle zum Medikamentenhersteller darstellen, besonders auch zur Beschaffung dringend notwendiger, aber mitunter kontingentierter Arzneimittel.
Es ist ein Beruf ohne Nachwuchsschwierigkeiten, dessen Existenz man als Verbraucher als Selbstverständlichkeit erachtet, der aber einer strengen Berufssitte unterliegt, die es ApothekerInnen verbietet, marktschreierisch aufzutreten oder aufdringlich zu werben. Gleichzeitig steht man aber in Konkurrenz mit Online-Versandapotheken, die diesen Regeln nicht unterworfen sind.

„Apotheken sind bemüht, im wirtschaftlichen Bereich zu arbeiten. Das akademische Personal samt Nacht- und Wochenenddiensten ist teuer und bei Weitem nicht kostendeckend, so wie auch im Spitalsbereich. Nur zahlt hier der Staat dafür, während Apotheken die Kosten privat stemmen müssen. Außerdem nimmt die Konkurrenz im Internet zu. Vieles geht nur über den Preis, was ich bis zu einem gewissen Grad verstehe, wenn aber alles nach Deutschland, Holland etc. abwandert, muss man sich als Konsument überlegen, ob man auf Kurz oder Lang seinen eigenen Arbeitsplatz wegrationalisiert.“

rose-1687884_1920Für die erfahrene Apothekerin und ihr Team bringt der Kampf von „David gegen Goliath“ die Änderung einer stärkeren Fokussierung mit sich: „Ich bin ein Mensch der Düfte. Ich habe das Glück, einen Garten zu haben und es ist jetzt besonders schön, wenn die Rosen blühen und jede Art anders riecht.“ Das Angebot in Richtung Aromatherapie zu verstärken, war also ein naheliegender Schritt. Dass eine Pharmazeutin aus dem Team von Lydia Wasilewski derzeit die Nährstoff-Akademie absolviert und sich dadurch in Sachen angewandter Ernährungsmedizin weiterbildet, festigt den Entschluss der Unternehmerin, sich von dem Image wegzuentwickeln, dass nur kranke Menschen Apotheken aufsuchen. Ein ganzheitlicher Ansatz, Gesundheitsvorsorge und Prävention durch fachkundige Beratung sind einige der Schlagworte, die den Weg beschreiben, den es heute zu beschreiten gilt.

 

Apotheke an der Kaiserstraße
Mag. Lydia Wasilewski
Kaiserstraße 73-75, 1070 Wien
Öffnungszeiten:
Montag, Mittwoch, Freitag: 8:00 – 18:00 Uhr
Dienstag, Donnerstag: 8:00 – 19:00 Uhr
Samstag: 8:00 – 12:00 Uhr

 

P.S.: Was man beim Rezept einlösen nicht zwischen Tür und Angel fragt und doch schon immer wissen wollte …

Denken Sie, dass die Rezeptpflicht zu streng oder zu locker ist?
„Ich würde nicht sagen, dass sie zu streng oder zu locker ist, aber ich frage mich bei manchen Dingen, warum sie rezeptfrei sind und andere wiederum nicht. Tatsache ist, dass wir in Österreich ein Gesetz haben, das den PharmazeutInnen insofern Spielraum einräumt, als dass es den sogenannten Notfallsparagraphen gibt. Das heißt zum Beispiel, wenn jemandem, sagen wir am Freitagabend oder am Samstag zu Mittag das Blutdruckmittel ausgegangen ist, dann dürfen wir, wenn der Arzt nicht erreichbar ist und das Verweisen an eine Spitalsambulanz nicht zumutbar und auch nicht notwendig scheint, die kleinste Packung aushändigen.“

Apotheke an der Kaiserstraße_© Veronika Fischer_6Das heißt, es lohnt sich auch Stammkunde zu sein, weil Sie wissen, welche Medikamente man regelmäßig verordnet bekommt?
„Wenn wir einen Kunden mit dessen Einverständnis als Stammkunden anlegen, dann haben wir natürlich einen Überblick, was er immer wieder bekommt: Von welchem Arzt?, Ist es glaubwürdig, dass es ihm ausgegangen ist? etc., damit er bekommt, was er im Notfall benötigt. Man muss selbstverständlich entscheiden, was ein Notfall ist, wie beispielsweise ein Asthmatiker, der seinen Spray verloren oder vergessen hat oder jemand, der ein Blutdruckmittel regelmäßig nehmen muss. Die Grenzen sind fließend. Aus diesem Grund ist es hilfreich, einen Kunden bereits länger zu kennen, um mir einen detaillierten Überblick zu verschaffen und die aktuelle Situation zu beurteilen. Ein enges Kundenverhältnis schafft beiderseitiges Vertrauen. Nicht nur für den Kunden ist das wichtig, auch für mich als Apotheker ist es wie für einen Arzt auch eine entscheidende Voraussetzung meine Kunden zu kennen, um ihnen letztlich eine optimale Beratung ganz auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten bieten zu können. Auf diese Weise profitieren Kunden auf ganz besondere Weise von unserem Fachwissen und unserer Erfahrung.“

Nutzen das viele aus?
„Nein, ausnutzen würde ich nicht sagen. Leider ist es auch so, dass manche Ärzte sagen: ‚Dafür brauchen Sie kein Rezept‘ und verwechseln, dass etwas billiger sein kann, als die Rezeptgebühr, aber trotzdem rezeptpflichtig ist. Das ist dann auch ein schmaler Grat.“

Ist im nicht-verschreibungspflichtigen Bereich viel Beratung gefragt?
„Manchmal würden wir gerne mehr beraten und hätten auch die Zeit dazu. Es kommt hin und wieder aber vor, dass die Beratungsleistung total abgeblockt wird. Aber im Prinzip ist es die primäre Aufgabe – und momentan können wir uns das auch Gott sei Dank noch leisten – dass wir sagen: ‚Das ist Nichts für Sie. Auch wenn in der Zeitung steht, dass Sie z. B. mit dem Produkt XY große Abnehmerfolge ohne weitere Maßnahmen oder Sport erzielen. Das wird Ihnen nicht helfen.‘ Es wäre schlimm, wenn wir um jeden Preis verkaufen müssten.“

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Fotos: © Veronika Fischer
ausgenommen Rosenfoto: © pixel2013 (pixabay)

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