Im 7ten – Mai 2015

Von Philipp Mosetter

Als es noch traurig um die Welt bestellt war und als die Gemüter noch dunkel verhangen waren, als der Osten noch der Osten war und der Westen noch fern und als der Mensch noch ganz ohne App sein hilfloses Dasein fristen musste, da gab es hier in einer schmalen Nebengasse mit dem verwunschen schönen Namen „Mondscheingasse“, ältere Zeitgenossen werden sich noch sehnsuchtsvoll erinnern, eine Einrichtung, die dem Menschen Orientierung gab: Die Post.

Während draußen immer mehr mutige Menschen ein Lächeln auf dem Gesicht zu tragen wagten, junge Mütter den Kinderwagen als Argument entdeckten und überall Initiativen und Engagement keimte und sprießte, hier in der Postfiliale Mondscheingasse, hier war die Welt noch traurig, dunkel und bösartig. Wer diese Postfiliale betrat, der durfte alle Hoffnung fahren lassen. Wer hier einen Brief aufgeben wollte, der musste aufgeben. Mochten die Menschen draußen schon so kreativ sein wie in Berlin, so elegant wie in Rom, so entspannt wie in New York, so arrogant wie in Paris, hier drin, vor den Beamten der Postfiliale Mondscheingasse, waren sie alle gleich: Lehmklumpen noch vor der Schöpfung.

Seit vier Jahren ist sie nun geschlossen, die Post in der Mondscheingasse. Vergeblich versuchte man sie als Kleinod der österreichischen Seele, als heiligen Schrein des Wiener Charakters zu bewahren. Nur noch ältere Zeitgenossen erinnern sich, dass hier die Quelle der Bosheit lag – als die Welt noch in einem traurigen Zustand war und man die Städte noch von einander unterscheiden konnte.

Philipp Mosetter (*1956) lebt und arbeitet als freier Autor und Schauspieler in Wien und Frankfurt/Main. Er verfasst monatlich eine Kolumne über den 7. Bezirk im Falter.

up* – unpublished
Philipp Mosetter
www.unpublished.at

Foto: Bernhard Schramm

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