Herr Gojak und sein Perpetuum Mobile Teil 2

perpetuum mobile

Bevor Herr Gojak verfolgt wurde, betrieb er zusammen mit seiner Schwester ein kleines Gasthaus in der ehemaligen Heimat. Eines Tages vernahm er ein lebhaftes Gespräch in deutscher Sprache, das von einer Gruppe junger Männer an einem benachbarten Tisch geführt wurde. Der gelernte Mechatroniker hatte sich Deutsch durch die Lektüre österreichischer Tageszeitungen selbst beigebracht und war neugierig geworden, also fragte er die Reisenden nach dem Grund ihrer aufgebrachten Gemüter. Die Männer berichteten von einer Autopanne, eine schier aussichtslose Situation, der Weg nach Belgrad war noch weit, das Auto abschleppen zu lassen, hätte ein Vermögen gekostet. „Rate mal, was für ein Auto die hatten“, sagt Herr Gojak und grinst mich an. Selbstverständlich war es ein Citroën, Mikans Lieblingsmarke, manchmal sind Zufälle eben doch unausweichlich. Ein Fehler der Hydraulik, eine Kleinigkeit für Kenner des Modells. Die Herren konnten ihr Glück kaum fassen und fragten ihn nach der präferierten Höhe seiner Entlohnung. Doch er verlangte kein Geld. „Ich wollte Goethes Faust, die Originalfassung. Das bekam man bei uns nicht so leicht.“ Die Reisenden hielten ihr Wort und schickten ihm das Buch per Post aus Köln.

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Was der Wind so trägt

Als Mikan ein junger Mann war, fand sein Vater ein Stück Karton auf einem nahegelegenen Feld. An sich nichts Erwähnenswertes, manchmal verteilt der Wind eben, was der Mensch so fallen lässt. Doch das Fundstück war kein Unrat aus dem angrenzenden Dorf, keineswegs, in beinahe unleserlicher Lateinschrift hatte jemand eine Botschaft auf dem Karton notiert. „Der Finder wird gebeten, diese Karte an folgende Adresse zurückzuschicken…“. Wohlgemerkt war der Satz in deutscher Sprache verfasst worden. Außerdem hafteten die Überreste eines Luftballons an dem Karton. Herr Gojak dachte zuerst an das ungefähr 500 Kilometer entfernte Burgenland, die Botschaft beinhaltete nämlich keinen Verweis auf das Land ihrer Herkunft, lediglich Straße und Hausnummer waren angegeben. „Ich habe schöne Grüße aus Mramorak dazugeschrieben und den Brief nach Österreich geschickt.“ Zwei Wochen später kam das Kuvert ungeöffnet zurück. Jetzt war Mikan tatsächlich neugierig. Woher stammte die Botschaft? Einer seiner Nachbarn war mit einer Deutschen verheiratet und besaß ein Buch, in dem alle deutschen Postleitzahlen aufgelistet waren. Herr Gojak stattete ihm einen Besuch ab und bat ihn, zu prüfen, ob sich die Adresse in Deutschland befand. Doch abermals erwiesen sich seine Vermutungen als falsch. Also blieb nur noch die Schweiz. Nach ein paar Wochen kam dann die Antwort. Achtzig mit Helium gefüllte Luftballons hatte eine Schweizer Kindergruppe auf die Reise geschickt. Sechs davon wurden gefunden. Doch nur ein Ballon hatte es bis nach Mramorak geschafft. Keine andere Botschaft hatte eine größere Distanz überwunden. Aus dem Stück Karton entstand eine rege Brieffreundschaft, mittlerweile schrieb der Vater des Jungen, der Herrn Gojak und seine Familie kurzerhand in die Schweiz einlud. „Und dann sind wir nach Basel“, sagt Mikan mit feierlicher Stimme, „Unglaublich war das.“

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Das Männlein im Radioapparat

Herr Gojak interessierte sich schon früh für Technik. Als junger Knabe fragte er seinen Vater nach der Stimme im Radio. „Da ist ein kleiner Mann drinnen, Mikan“, meinte dieser. Die Antwort stellte ihn jedoch nicht zufrieden, also wandte er sich an einen Nachbarn, über den gesagt wurde, er sei der klügste Bewohner des Dorfes. „Ein kleiner Mann, was denn sonst?“ Mikan ließ nicht locker und schraubte das Gerät auf, um sich selbst zu vergewissern. Da war kein kleiner Mann, doch, was der junge Herr Gojak in dem Radioapparat vorfand, war für ihn nicht minder faszinierend. Sechzig Jahre später sitzt er mir gegenüber in einem bequemen Drehsessel in seiner kleinen Werkstatt im siebten Bezirk. Er spricht von der Kinematik des Peitschenknalls. Das Geräusch entsteht durch die Beschleunigung auf Überschallgeschwindigkeit. Die Muskelkraft eines sechsjährigen Mädchens genügt, um diesen Effekt zu erzeugen. „Was ist schon unmöglich?“, denke ich und betrachte den Prototypen von Herrn Gojaks Perpetuum Mobile.

Herr Gojak und sein Perpetuum Mobile Teil 1

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