Immer, wenn ich durch die Mondscheingasse spaziere, habe ich automatisch die Melodie von „Männerfreundschaft“ aus dem Kultfilm „Müllers Büro“ im Ohr. Wohl, weil sich das Büro des Privatdetektivs in dieser kleinen, aber feinen Gasse befand. Das wird im Film zwar nie ausdrücklich erwähnt, aber es gibt eine Szene, die das verrät. Nämlich jene, in der Max Müller den Tod seiner Geliebten im Duett mit der mondsüchtigen Nachbarin besingt. Hier schwenkt die Kamera über die Hausnummer: Mondscheingasse Nummer 26.

Filmreife Straßen
Regisseur Niki List machte nie einen Hehl daraus, dass für ihn der 7. Bezirk mehr als nur Heimat seiner Filmproduktionsfirma war, sondern Neubau auch bevorzugt als Filmkulisse in seinen Filmen wählte. So erlangte auch das Lokal „Blue Box“ in der Richtergasse 8 als eines von Müllers Stammkneipen Ruhm. Die Lokalbetreiber werden noch heute, vierzig Jahre nach dem Debüt des Filmklassikers, auf den legendären Streifen angesprochen.

Als mir wieder einmal „Männerfreundschaft“ durch den Kopf summte, kam die Idee auf, dass es doch interessant wäre, den 7ten auf weitere Film-Hot-Spots abzuwandern.
Oldies but Goldies
Um ehrlich zu sein, „Müllers Büro“ ist schlecht gealtert. Ganz anders als „Scorpio, der Killer“, ein Agententhriller aus dem Jahr 1973 mit Burt Lancaster und Alain Delon in den Hauptrollen. Obwohl dieser Film schon mehr als 50 Jahre auf dem Buckel hat, ist er nach wie vor ein cineastischer Hochgenuss und hat von seiner Spannung wenig verloren. Ein Drittel des Films spielt in Wien. Höhepunkt ist sicher die spektakuläre Verfolgungsjagd in der U-Bahn-Baustelle am Karlsplatz, doch auch im7ten gibt es schöne Drehorte für diesen Thriller. Am nächtlichen St.-Ulrichs-Platz treffen Burt Lancaster und Paul Scofield im Haus Nummer 4 aufeinander. Der St.-Ulrichs-Platz ist im Grätzelranking ohnehin einer der beliebtesten Schauplätze für Filmschaffende und kommt in zahlreichen Produktionen vor, die in Wien gedreht werden. Das bestätigt die Vienna Film Commission, die für Filmproduktionen aus aller Welt die erste Anlaufstelle ist, wenn es um Drehorte in Wien geht.

Platz 7 für den 7ten
Wien war als Filmkulisse immer schon ein sehr begehrtes Pflaster. Das beginnt beim „Dritten Mann“, geht über die „Vier Musketier“-Dreharbeiten, bei denen ich selbst in den 1990er Jahren als einer von gefühlt hunderttausend Statisten am Heldenplatz mitgewirkt habe, bis hin zu „Mission Impossible“ und „Before Sunrise“. Im Ranking der beliebtesten Schauplätze liegt natürlich der erste Bezirk klar in Führung, gefolgt vom Wiener Prater und Schloss Schönbrunn. In Anbetracht seiner Größe muss sich der 7. Bezirk nicht verstecken. Laut Jahresbericht der Vienna Film Commission hat Neubau im Jahr 2024 Platz 7 im Bezirksranking nach Anzahl der Empfehlungsschreiben eingenommen.
Gefragte Adresse
Filmschaffende lieben Neubau nicht nur wegen der geeigneten Filmkulissen, sondern schätzen den Bezirk auch als Bürostandort. Nicht nur der leider viel zu früh verstorbene Niki List hatte sein Produktionsunternehmen am Spittelberg. Der Siebte ist für einige Filmproduktionsfirmen das Zuhause. In der Seidengasse 15 befindet sich zum Beispiel die Golden Girls Filmproduktion & Filmservices GmbH. Viele sehenswerte Filme entstehen unter der Leitung dieses Unternehmens, darunter unter anderem „Cops“ mit Roland Düringer oder „Andrea lässt sich scheiden“, von und mit Josef Hader. Aktuell läuft gerade die Golden Girls Produktion: „Wie man normal ist und die Merkwürdigkeiten der anderen Welt“ in den Kinos. Der internationale Titel ist nicht wesentlich kürzer: „How to Be Normal and the Oddness of the Other World“. Ein österreichischer Spielfilm von Regisseur Florian Pochlatko, der heuer auf der Berlinale seine Premiere feierte. Mit Elke Winkens, Cornelius Obonya und Harald Krassnitzer ist dieser Streifen prominent besetzt. Hauptrolle übernimmt Luisa-Celine Gaffron, eingefleischten Tatort-Fans sicher aus der einen oder anderen Episode des beliebten TV-Krimiformats bekannt. Im Café Europa in der Zollergasse 8 ereignet sich mit ihr eine Szene, die dem Filmpublikum garantiert in Erinnerung bleiben wird, wenn die Darstellerin wie eine Verrückte gegen die Schaufensterscheibe des Lokals knallt. Auch Hermanns Würstelstand in der WIPARK-Garage in der Stiftgasse 5–7 ist einer der Schauplätze in Pochlatkos Debütfilm.
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Beliebte Hotspots
Der St.-Ulrichs-Platz ist für historische Produktionen sehr beliebt, da dies einer der wenigen Plätze ist, wo es noch ein in sich geschlossenes historisches Gebäude-Ensemble gibt. In der Kriminalfilm-Reihe „Vienna Blood“, einer österreichisch-britischen Koproduktion, die mittlerweile vier Staffeln umfasst, wird der St.-Ulrichs-Platz mitsamt der Ulrichskirche in der ersten Episode düster in Szene gesetzt, um atmosphärisch gut zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zu passen. Völlig anders wirkt der St.-Ulrichs-Platz in dem Telekom-Spot „No Fiber? No Football“, anlässlich der UEFA EURO 2024. In dem von den Filmkritikern gefeierten Klimt-Film „Die Frau in Gold“ dient der St.-Ulrichs-Platz als Flashback von Maria Altmann, dargestellt von Helen Mirren, in dem sie ihr jüngeres Ich mit Tante Adele im Café sieht. Der Hotspot kommt noch öfter in diesem Klimt-Film vor. So liegt zum Beispiel auch die Apotheke, die eine wichtige Rolle als Fluchtort von Maria spielt, am St.-Ulrichs-Platz direkt gegenüber der Kirche.

Enge Gassen mit Charme
Fast genauso beliebt als Filmkulisse wie der St.-Ulrichs-Platz ist der Spittelberg. Der Überraschungserfolg „Before Sunrise“ aus dem Jahr 1995 mit Julie Delpy und Ethan Hawke, der die beiden Charaktere Celine und Jesse ja nahezu an alle magischen Ecken Wiens führt, vom Friedhof der Namenlosen über die Arena bis in den Prater, macht auch im 7. Bezirk Halt. Hier lässt das Drehbuch das verliebte Pärchen durch die Spittelberggasse spazieren, wo es Zeuge eines sogenannten ‚Birth Dance‘ wird, bevor es weiter in die Gutenberggasse geht. Der Spittelberg ist auch Schauplatz für den 2020 herausgebrachten Fernsehfilm „Christmas in Vienna“. Dass die engen Gässchen am Spittelberg auch heute noch bei Filmproduzenten äußerst beliebt sind, beweist unter anderem das Drama „Vier Minus Drei“ von Regisseur Adrian Goiginger. Die Buchverfilmung des Bestsellers von Barbara Pachl-Eberhart ist noch nicht in den Kinos angelaufen – freuen darf man sich auf einige Spittelberg-Szenen. Gedreht wurde nämlich in der Siebensterngasse, Kirchberggasse, Gutenberggasse, Spittelberggasse, Lindengasse und Kirchengasse.
Von dramatisch bis lustig
Ebenfalls ganz aktuell in den Kinos läuft der Spielfilm „Mother’s Baby“. Auch wieder ein Drama. Mit Marie Leuenberger und Hans Löw in den Hauptrollen. Bei der Berlinale uraufgeführt. Im Siebten dienen die Mondscheingasse, Kirchengasse, Siebensterngasse und Lindengasse als Drehorte.
Ihr liebt es lieber actionreich? In „The Spy who dumped me/Bad Spies“ geht es deutlich turbulenter und lustiger zur Sache. Der Film stammt aus dem Jahr 2018 und lässt zwei Freundinnen durch Prag, Berlin und schließlich Wien irren, wo unter anderem die Siebensterngasse als Filmkulisse dient.
Neben den genannten Straßen und Plätzen stehen im 7. Bezirk auch die Mechitaristengasse und die Bellariastraße als Filmkulisse immer wieder hoch im Kurs.
Es fällt schon ein bisschen auf, dass es die Filmkarawane am Neubau vor allem auf die innenstadtzugewandte Seite zieht, während die westbahnhofgerichtete Hälfte als Filmlocation noch Luft nach oben hat.
Bollywood lässt grüßen
Selbst Bollywood und Asien haben Wien als Schauplatz auf dem Radar. „Die Sehnsucht meines Herzens“ ist ein Bollywood-Musical, wie es der Originaltitel vermuten lässt: „Ae Dil Hai Mushkil“. Hier wurde unter anderem im „25 Hours Hotel“ beim MuseumsQuartier in der Lerchenfelder Straße 1 gedreht. Wiens Straßen können also nicht nur historisch stimmungsvoll, sondern auch schrill und bunt sein. Besonders originell finde ich jedoch, dass die Lerchenfelder Straße sogar in einer Episode des chinesischen Reality-TV-Formats „Brothers over Flowers“ zum Schauplatz wird.
Ein Hauch von Sissi
In der Andreasgasse 7 befindet sich das Möbelmuseum Wien. Es ist zwar nicht direkt Filmkulisse, zeigt aber das Film-Mobiliar der legendären Sissi-Filme mit Romy Schneider in der Hauptrolle und ist somit ebenfalls eine Pflicht-Adresse für echte Cineasten, besonders jene, die das Imperiale Wien im Film lieben.
Ich bin der Meinung, Neubau darf sich ohne weiteres als „Little Hollywood“ bezeichnen und hat sich den Ruf als Film-Hotspot absolut verdient. Achtet doch bei eurem nächsten Spaziergang durch den 7ten ganz bewusst auf die vorgestellten Schauplätze, verharrt einen Moment und träumt von Alain Delon, Julie Delpy, Ethan Hawke oder vielleicht auch von Fräulein Schick aus „Müllers Büro“ und trällert vor der Blue Box „Müller ist wie Marzipan“ vor euch hin.
Text und Bilder: Christian Scherl
Weiterführende Links
- Vienna Film Commission
Karl-Farkas-Gasse 18, 1030 Wien, www.viennafilmcommission.at - Golden Girls Filmproduktion & Filmservices GmbH
Seidengasse 15/20, 1070 Wien, www.goldengirls.at - Möbelmuseum Wien
Andreasgasse 7, 1070 Wien, www.moebelmuseumwien.at