FullAccess – die Welt muss allen offen stehen

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Christina Riedler und Martina Gollner hatten guten Grund, Gründerinnen zu werden: Sie waren die „missing links“ – die perfekten Verbindungsstücke – für eine absolute Nische im Veranstaltungswesen. Mit FullAccess bieten sie Lösungen für alle Herausforderungen, die sich im Zusammenhang von Freizeitveranstaltungen und Barrierefreiheit stellen und sind damit Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen und VeranstalterInnen gleichermaßen.
Ihr Büro haben Christina Riedler und Martina Gollner im 7. Bezirk – im7ten hat nachgefragt, was sich seit der Grundsteinlegung getan hat.

FullAccess Inklusion von Menschen mit Behinderung bei Großveranstaltungen
Martina Gollner (links), FH-Campus-Wien-Absolventin und Sozialarbeiterin. Sie ist selbst von Geburt an hochgradig sehbehindert. Christina Riedler (rechts), Doktorandin am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Community-Managerin und seit rund 15 Jahren ehrenamtliche Begleitperson für Menschen mit Sehbehinderungen. Martina Gollner ist FH Campus Wien-Absolventin und Sozialarbeiterin. Sie ist selbst von Geburt an hochgradig sehbehindert. Foto: © FullAccess

Im Mai 2016 haben Sie FullAccess gegründet. Was hat sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren getan?

Durch eine Werbeaktion vor der Hauptuni, bei der ein Getränkehersteller Flyer mit einer Wettbewerbsausschreibung verteilt hat, sind wir 2015 sozusagen in die GründerInnenszene „reingerutscht“. Gewonnen haben wir zwar nicht, aber es war eine außergewöhnliche Erfahrung, in einer Glasbox auf der Mariahilfer Straße vor live zugeschalteten InvestorInnen zu pitchen. Mit dieser positiven Erfahrung im Gepäck haben wir Veranstaltungen der Universität Wien zum Thema „Entrepreneurship“ besucht. Einen dieser Workshop leitete wiederum einer der Consultants des universitären Gründerservice INiTS, das uns schließlich ins Startup-Camp aufgenommen hat. Zu dieser Zeit haben wir auch die erste Förderung durch die Wirtschaftsagentur Wien erhalten.

Ein großer Meilenstein war sicher auch das Pilotprojekt am Donauinselfest 2017. Dadurch konnten wir herausfinden, was tatsächlich gebraucht wird und was man verbessern kann. Einiges davon konnten wir dann im Jahr 2018 am Donauinselfest umsetzen.

Gänsehaut-Momente wie das Feedback einer Begleitperson am heurigen Donauinselfest: „Ich habe meine Frau schon lange nicht mehr so lebendig erlebt“. Zu wissen, dass unsere Arbeit den Ausschlag für die Entscheidung gegeben hat, auf ein Festival zu kommen, macht unglaublich stolz, demütig und lässt jede Anstrengung vergessen.

Wir kommen gerade vom Europäischen Forum Alpbach, denn wir waren zu den Wirtschaftsgesprächen eingeladen.

European Forum Alpbach Christina Riedler und Martina Gollner
Christina Riedler und Martina Gollner, Foto: © FullAccess

Ihr Service bedient eine bislang unbesetzte Nische und ist damit einzigartig in Österreich. Wie haben Menschen mit Behinderungen vor der Gründung von FullAccess Konzerte oder andere Großveranstaltungen besucht?

Alles was Freizeitveranstaltungen betrifft ist ein völlig vernachlässigter Bereich in der Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Glücklicherweise ist heutzutage der Zugang zu Bildung und Arbeit gesetzlich geregelt. Dem gegenüber stehen 57,8%, die im aktuellsten Behindertenbericht angaben, sich in der Freizeit benachteiligt zu fühlen. VeranstalterInnen mit einer Rollstuhl-Plattform erfüllen damit die gesetzlichen Voraussetzungen. Alle Angebote und Vergünstigungen darüber hinaus werden uneinheitlich und unübersichtlich vergeben.

Welche Hürden galt es zu überwinden?

Allein die Unternehmensgründung war ein Gewaltmarsch. Die Tatsache, dass Martina Gollner als Gründerin von Geburt hochgradig sehbehindert ist, hat viele öffentliche Stellen dazu veranlasst, uns dezidiert von einer Gründung mit einer Person mit Behinderung abzuraten. Daher ist viel Zeit und Energie allein in die Beantwortung der Frage nach der geeigneten Rechtform bzw. Anstellungsmodell geflossen, von der das Projekt auch (steuerrechtlich) profitieren kann. Dabei wurden wir mehrmals an Stellen wie das GrüZe für Menschen mit Handicap verwiesen, die zu diesem Zeitpunkt aber schon monatelang nicht mehr existierten!

In welcher Weise hat sich der Besuch einer Großveranstaltung verbessert, bei der FullAccess in die Planung involviert ist?

Wir sind zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht in die Planung involviert. Darauf arbeiten wir aber hin, denn an diesem Punkt wäre es am leichtesten, etwas am Aufbau zu verändern, um damit die bauliche Barrierefreiheit zu verbessern.
Bis jetzt war es so, dass wir erst dazu geholt wurden, als die Produktion der Veranstaltung mehr oder weniger abgeschlossen war. Da stehen wir dann vor vollendeten Tatsachen und müssen mit den Gegebenheiten arbeiten, die wir vorfinden.

Als große Erleichterung erleben es die BesucherInnen mit Behinderungen beispielsweise, über uns als fixe Ansprechpersonen Antworten auf Fragen, die den Besuch betreffen, zu bekommen und auch eine Anlaufstelle vor Ort zu haben.

Beim Donauinselfest zum Beispiel ist die Zahl der BesucherInnen mit Behinderungen deutlich gestiegen. Es kommen mehr Leute aus den Bundesländern, aber auch aus dem europäischen Ausland. Ein kontinuierliches Angebot bietet die Sicherheit, auch im nächsten Jahr wieder die passenden Gegebenheiten für einen Besuch vorzufinden.

Wie wird das Angebot auf VeranstalterInnenseite angenommen?

Wir mussten erkennen, dass wir bei VeranstalterInnen noch sehr viel Basisarbeit leisten müssen: Die KundInnengruppe der BesucherInnen mit Behinderungen ist ihnen fremd und wird mit ihren „Sonderwünschen“ als mühsam erlebt. Diesen Berührungsängsten wirken wir mit Beratung und Personalschulungen entgegen und zeigen einfache, umsetzbare Lösungen auf.

Dazu kommt, dass Behinderung in Österreich noch mit der Benutzung eines Rollstuhls gleichgesetzt wird. Andere Arten von Behinderungen wie Sinnesbehinderungen oder psychische Beeinträchtigungen werden vergessen.

… und wie reagieren Menschen, die auf den gebotenen Service angewiesen sind?

Martina Gollner ist Sozialarbeiterin und wird deshalb als „Peer“ wahrgenommen, was die Kommunikation gerade dann erleichtert, wenn etwas auf einer Veranstaltung nicht so gut klappt.

Wir erleben bei BesucherInnen mit Behinderungen eine Mischung aus Skepsis, dass sich jemand des Themas annimmt, und Erleichterung und Freude, wenn sich herausstellt, dass das Angebot etwas Dauerhaftes ist.

Sie schreiben auf der Website: „Mit FullAccess verbessern Sie die Zugänglichkeit zu Ihren Veranstaltungen für Menschen mit den unterschiedlichsten Arten von Behinderungen und eröffnen damit eine schwer erreichbare KundInnengruppe.“
Sie sprechen damit einen wesentlichen Punkt an: Ihr Service ist nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern auch VeranstalterInnen erreichen eine neue KundInnengruppe – eine Win-Win-Situation also.
Was macht es trotzdem noch schwierig, FullAccess zu beauftragen?

Das Thema „Behinderung“ steckt in Österreich tief im Sozialbereich fest und allzu oft werden Personen mit Behinderungen als bemitleidenswerte BittstellerInnen „abgestempelt“. VeranstalterInnen sehen Menschen mit Behinderungen noch nicht als KundInnen, die auch einen zuvorkommenden Service erwarten. Diese Erfahrung haben wir als Betroffene und Begleitperson auch selbst gemacht.

Das ist auch der Grund, warum VeranstalterInnen umdenken müssen, um die Services von FullAccess für Ihre Veranstaltungen zu buchen. Eine neue KundInnengruppe zu erschließen, kann nicht kostenlos sein.

Soziale Nachhaltigkeit als Wettbewerbsfaktor wird in den kommenden Jahren immer wichtiger werden (vgl. „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“).

Ab welcher Veranstaltungsgröße macht es von VeranstalterInnenseite her Sinn, FullAccess zu beauftragen?

Das ist eine Budgetfrage und eine Frage der Gegebenheiten am Veranstaltungsort, welche Packages in welchem Umfang Sinn machen.
Unterschiedliche Packages werden individuell auf die Bedürfnisse des Veranstalters/der Veranstalterin angepasst: Kommunikation im Vorfeld, Schulungen für das Personal, Vor-Ort-Betreuung für mehrtägige Veranstaltungen und Festivals, Ticketing über unseren Ticketshop „Aeon Tickets“ (derzeit im Testbetrieb).

Jede Veranstaltung in Österreich kann von mehr Barrierefreiheit profitieren!

Was wünschen Sie sich für die Zukunft in Sachen Großveranstaltungen? Was möchten Sie mit FullAccess in den kommenden Jahren bewegen?

Natürlich möchten wir alle Großveranstaltungen und Festivals in Österreich betreuen und das mit einem so umfangreichen Angebot für die Zielgruppe der BesucherInnen mit Behinderungen wie möglich, um das gesamte Spektrum der User-Experience abzudecken; von der Vorbereitung bis zur Abreise.

FullAccess soll der „Household Name“ in Sachen Freizeitveranstaltungen und Barrierefreiheit werden.

 

FullAccess Event Services OG
Zieglergasse 47/1/1, 1070 Wien
www.fullaccess.at

 

Fotos im Beitrag: © FullAccess

Titelbild: pexels: veeterzy

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