Zu Beginn unserer heutigen Erkundungstour zu den Durchhäusern bemühen wir unseren liebsten Historiker: Felix Czeike, der mit dem „Historischen Lexikon“ in sechs Bänden ein wunderbares Handbuch zum Verstehen und Kennenlernen von Wien geschaffen hat.
Was ist ein Durchhaus?
In Band 2 seines Historischen Lexikons erklärt er den Begriff Durchhaus wie folgt:
Das „Durchaus [ist eine] in der Altstadt und in den Vorstädten von Wien lokale architektonische Spezialität.“ Darunter versteht man ein Haus, „das zwischen zwei parallel verlaufenden Straßen liegt, von beiden Seiten her betreten (…) und als freiwillig gestatteter Durchgang von einer Straße zur anderen benützt werden kann.“ Meist liegt in der Mitte eines Durchhauses einer oder mehrere kleine Innenhöfe. Die Nutzung des Durchhauses als Weg erspart so manchen umständlichen Fußweg, weil man eben mitten durch statt rundherum gehen kann.
Czeike, Felix: Historisches Lexikon, Band 2, S. 110. Online abrufbar in der Wienbibliothek im Rathaus.

Wo gibt es Durchhäuser in Wien?
Besonders im 1. und 2. Bezirk in Wien gibt es viele Durchhäuser – allein in der Wollzeile gibt es sechs Häuser, die einen Durchgang zum Stephansplatz, zum Lugeck, in die Schulerstraße, die Bäckerstraße und zum Dr.-Ignaz-Seipel-Platz ermöglichen.
Das berühmteste Durchhaus Wiens ist zweifelsohne die Hofburg. Sie hat nicht nur einen Ausgang von A nach B*, sondern man kann auch vom Michaelerplatz über das Schweizertor in der Alten Burg in die Schweizerburg und durch einen weiteren Gang in den Bibliothekshof gelangen, wo sich dann der Burggarten grün vor den Geheimgangnutzer*innen erstreckt.
*Häufiger genutzt wird aber sicherlich der Durchgang vom Michaelerplatz zum Heldenplatz. Mit dem Leopoldinischen Trakt der Hofburg im Rücken, der Neuen Burg mit der Österreichischen Nationalbibliothek zur Linken erreicht man in wenigen Schritten den Maria-Theresien-Platz mit dem Kunsthistorischen Museum (KHM) links und dem Naturhistorischen Museum (NHM) rechts womit man freie Sicht auf das MuseumsQuartier (die ehemaligen Hofstallungen) und damit den östlichen Teil des 7. Bezirk bekommt. Ja, irgendwie hängt das alles auf spannende Weise zusammen.
Durchhäuser am Neubau
Im 7. Bezirk angekommen, müssen natürlich auch hier die Durchschlupfmöglichkeiten inspiziert und auf ihre Gegenwartstauglichkeit überprüft werden. Im Wien Geschichte Wiki sind nur vier klassische Durchhäuser vermerkt (Lesetipp: Wien Geschichte Wiki, Durchhaus). Wir haben noch drei weitere Passagen, bei denen man unter einem Haus durchgeht – wir zählen also SIEBEN Schlupflöcher im Siebten (wir lieben es, wenn sich das mit den Zahlen so schön ergibt); wir beginnen aber mit den offiziellen Durchhäusern.
Der Adlerhof
Der Adlerhof kann von der Burggasse 51 oder von der Siebensterngasse 46 aus beschritten werden. Er ist das längste Durchhaus im 7. Bezirk.
Den Namen Adlerhof kennt man seit einigen Jahren wegen des gleichnamigen Cafés, das in der Burggasse liegt und dessen Wendeltreppe mit ganz viel Urban-Gardening- und Pflanzenliebe-Vibes die Instagram-Accounts der Besucher*innen füllt.

Von der Burggasse aus gelangt man über fünf Höfe und zahlreiche Stiegenabsätze, die das Niveau der beiden Gasse ausgleichen, in die Siebensterngasse. Beim Heraustreten aus dem Adlerhof sieht man geradeaus (leicht links) sofort den Siebensternplatz. Von hier aus gesehen rechts ist es nur ein paar Meter bis zu vomFASS Wien-Neubau.
Lesetipp: Wien Geschichte Wiki, Adlerhof
Das Schottendurchhaus
Das Schottendurchhaus verbindet die Neustiftgasse 16 mit der Lerchenfelder Straße 13. Die Miethäuser wurden zwischen 1847 und 1848 erbaut, die Häuserfronten sind unterschiedlich gestaltet. Details dazu finden sich im Architektenlexikon beim Eintrag zum Bauherren und Architekten August Engelbrecht. Die Innenhöfe der Häuser, in denen sich neben Wohnungen auch Shops und Lokale befinden, sind begrünt und eine absolute Oase. Die „Gastwirtschaft im Durchhaus“ gibt es in der einen oder anderen Form schon seit 1848.

Die Statue des Heiligen Nepomuk, der man auf dem Weg von der Neustiftgasse in die Lerchenfelder Straße zwangsläufig begegnet, ist zwar nur eine Kopie des 1862 aufgestellten Originals, jedoch erinnert sie noch genauso an das Ereignis, die zur Errichtung führte: Nach einer Überflutung durch den Ottakringer Bach wurde der Schutzpatron gegen Überschwemmungsgefahr aufgestellt.

An der Adresse genau daneben – in der Lerchenfelder Straße 15 – stand früher das Geburtshaus von Johann Strauss Sohn. Eine Gedenktafel an der Hausmauer erinnert an den berühmten Bewohner.
Quellenhinweis: Wien Geschichte Wiki, Schottendurchaus
Der Löwen-Hof
Um sich selbst zu verbildlichen, wie der Löwen-Hof zu seinem Namen kam, muss man ihn von der Mondscheingasse 3 aus betreten. Drei imposante Löwenköpfe schauen von der Hausfassade herab (naja, eher geradeaus). Besser zu sehen ist der „blühende Baum“, der die Fassade ziert, direkt neben dem Eingangstor. Wer das Durchhaus nutzt, kommt in der Kirchengasse 19, gleich neben Disaster Clothing, wieder heraus. Theoretisch! Denn als ich den Test gemacht habe, waren beide Eingangstüren zu. Ein Durchhaus ohne Durchgang also.
Die Löwenköpfe, die auf der Fassade in der Kirchengasse einst angebracht und auf diesem Foto bewundert werden können, gibt es hier nicht mehr zu sehen.
Lesetipp: Wien Geschichte Wiki, Löwen-Hof


Durchhaus von der Neubaugasse in die Seidengasse
Von der Neubaugasse aus, gleich rechts neben dem Reformhaus Buchmüller, sieht man unterhalb der Hausnummer 17–19 zwei der klassisch-blauen Hinweisschilder: „Durchgang zur Seidengasse“ und „Zur Ahornergasse“ verraten, wohin der eher unscheinbare Weg führt. Der ruhige, begrünte Innenhof ist ein öffentlicher Durchgang. Trotzdem fühlt man sich dem Flüsterton verpflichtet, wenn man hier durchgeht, weil man doch sehr nah an den Fenstern des Wohnhauses vorbeiflaniert. Schön ist es hier!

Schleichwegerl von der Lindengasse in den Jenny-Steiner-Weg
Gern genutzt wird auch der Durchgang von der Lindengasse, wo auf der Höhe der Andreasgasse (auf der linken Seite) nach rechts ein Durchgang in den Jenny-Steiner-Weg führt. Geht man den zu Ende, gelangt man an das Gassenkreuz Seidengasse/Ahornergasse/Hermanngasse und kann hier entscheiden, ob man geradeaus weiter, am Magistratischen Bezirksamt vorbei, in die Burggasse geht oder doch gleich rechts in die Ahornergasse biegt, um dort das oberhalb beschriebene Durchhaus zu nutzen und so in die Neubaugasse zu gelangen.

Unter der Hausbrücke fließt der Verkehr von der Lindengasse in die Stollgasse
Das einzige von Kfz befahrbare „Durchhaus“ liegt an der Kreuzung Schottenfeldgasse und Lindengasse. Der Wiener Gemeindebau wurde in den 1950er Jahren errichtet. Erst durch ihn wurde eine Verbindung von der Lindengasse in die Stollgasse erschaffen. Mehr Infos zu diesem Bau, der Architektur und der Stützkonstruktion, die das Haus die Straße überbrücken lässt, finden Interessierte auf der Website von Wiener Wohnen zur Stollgasse 1.

Das MuseumsQuartier
Das bekannteste Gebäude bzw. der bekannteste Gebäudekomplex im 7. Bezirk, durch den man einfach durchspazieren und von der Vorderseite zur Rückseite – und umgekehrt – gelangt, ist das MuseumsQuartier. Vom 7. Bezirk kommend, geht man die Siebensterngasse hinunter, bis der 49er eine Biegung in die Breite Gasse macht. Hier sieht man gleich rechts das Glacis Beisl und links daneben einen kleinen Stiegenaufgang, den man nach oben geht und dann einfach am Gebäude links vorbei, bis man die Stiegen hinunter in den Hof 1 des MQ sieht. An der markanten Fassade des mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien geht man Stufe für Stufe hinunter in den Hof und kann sich für den Weg geradeaus zum Haupteingang oder die Route zu einem der Seitenausgänge rechts (Richtung Mariahilfer Straße) und links (Richtung Volkstheater) entscheiden.

Der Vision eines Machers entsprungen
Den Eingang von der Breite Gasse ins MQ verdankt Wien übrigens dem damals, beim Umbau des MuseumsQuartiers in seine heutige Form amtierenden Bezirksvorsteher von Neubau – Herbert Tamchina. Er bestand auf die Entriegelung der Häuserfront.
Auszug aus dem im7ten-Interview mit Herbert Tamchina aus dem Jahr 2019
„Ich habe sehr gut mit der Errichtungsgesellschaft zusammengearbeitet und hatte unter anderem den Wunsch, eine Öffnung des MuseumsQuartiers vom 7. Bezirk aus zu machen. Denn bis dahin gab es nur den Eingang von der Mariahilfer Straße und der Burggasse. In der Breite Gasse war hier eine Mauer, ein Riegel! Ich habe darauf bestanden, dass ein Zugang von der Breite Gasse gemacht wird, sodass man vom Siebenten aus über Stiegen ins MuseumsQuartier kommt.
Die Errichtungsgesellschaft hat einen provisorischen Holzsteg gemacht, den wir mit Bier und Würsten eröffnet haben. Als ich etwas vor Beginn der Eröffnungsfeier hinkam, standen dort 20, 25 Leute mit Transparenten und schimpften. „Na da wird’s Dir heute gut gehen“, hab ich mir gedacht, aber als Zeit für die Eröffnung war, kamen zirka 200 Leute vom Spittelberg. Auf einmal konnte man die Bürgerinitiative nicht mehr sehen. Die waren fort. Es war dann ein riesen Festl.“
Das ganze Interview kann man im Blogpost Herbert Tamchina – der Advokat des MQ bei uns auf im7ten.com nachlesen.
Durchkreuzen und abhaken
Nachdem wir nun wissen, dass das Durchhaus etwas Ur-Wienerisches ist, hoffen wir, unseren Leser*innen Lust darauf gemacht zu haben, das eine oder andere Durchhaus zu durchscheiten und den Bezirk auf diese Weise zu durchkreuzen. Dann kann man dieses Wien-to-do auch auf der Muss-man-mal-gemacht-haben-Liste abhaken – oder die Schleichwegerlnutzung regelmäßig in den Alltag einbauen.
Titelbild: Im Schottenhof sieht man auch die für alte Wiener Innenhöfe typischen Pawlatschen.
Text und Fotos: Veronika Fischer