Die Durchhäuser des 7. Bezirks – Schleichwegerl zum Verlieben

Das Schottendurchhaus ist ein Durchhaus mit Pawlatschen, das die Neustiftgasse und die Lerchenfelder Straße verbindet. Foto: © Veronika Fischer

Zu Beginn unserer heutigen Erkundungstour zu den Durchhäusern bemühen wir unseren liebsten Historiker: Felix Czeike, der mit dem „Historischen Lexikon“ in sechs Bänden ein wunderbares Handbuch zum Verstehen und Kennenlernen von Wien geschaffen hat.

Was ist ein Durchhaus?

In Band 2 seines Historischen Lexikons erklärt er den Begriff Durchhaus wie folgt:
Das „Durchaus [ist eine] in der Altstadt und in den Vorstädten von Wien lokale architektonische Spezialität.“ Darunter versteht man ein Haus, „das zwischen zwei parallel verlaufenden Straßen liegt, von beiden Seiten her betreten (…) und als freiwillig gestatteter Durchgang von einer Straße zur anderen benützt werden kann.“ Meist liegt in der Mitte eines Durchhauses einer oder mehrere kleine Innenhöfe. Die Nutzung des Durchhauses als Weg erspart so manchen umständlichen Fußweg, weil man eben mitten durch statt rundherum gehen kann.

Czeike, Felix: Historisches Lexikon, Band 2, S. 110. Online abrufbar in der Wienbibliothek im Rathaus.

Das Schottendurchhaus in 1070 Wien verbindet die Neustiftgasse mit der Lerchenfelder Straße. Foto: © Veronika Fischer
Blick ins begrünte Schottendurchhaus von der Neustiftgasse aus. Die Stiegenabsätze in der Ferne verraten: Es geht bergauf. Foto: © Veronika Fischer

Wo gibt es Durchhäuser in Wien?

Besonders im 1. und 2. Bezirk in Wien gibt es viele Durchhäuser – allein in der Wollzeile gibt es sechs Häuser, die einen Durchgang zum Stephansplatz, zum Lugeck, in die Schulerstraße, die Bäckerstraße und zum Dr.-Ignaz-Seipel-Platz ermöglichen.
Das berühmteste Durchhaus Wiens ist zweifelsohne die Hofburg. Sie hat nicht nur einen Ausgang von A nach B*, sondern man kann auch vom Michaelerplatz über das Schweizertor in der Alten Burg in die Schweizerburg und durch einen weiteren Gang in den Bibliothekshof gelangen, wo sich dann der Burggarten grün vor den Geheimgangnutzer*innen erstreckt.

*Häufiger genutzt wird aber sicherlich der Durchgang vom Michaelerplatz zum Heldenplatz. Mit dem Leopoldinischen Trakt der Hofburg im Rücken, der Neuen Burg mit der Österreichischen Nationalbibliothek zur Linken erreicht man in wenigen Schritten den Maria-Theresien-Platz mit dem Kunsthistorischen Museum (KHM) links und dem Naturhistorischen Museum (NHM) rechts womit man freie Sicht auf das MuseumsQuartier (die ehemaligen Hofstallungen) und damit den östlichen Teil des 7. Bezirk bekommt. Ja, irgendwie hängt das alles auf spannende Weise zusammen.

Durchhäuser am Neubau

Im 7. Bezirk angekommen, müssen natürlich auch hier die Durchschlupfmöglichkeiten inspiziert und auf ihre Gegenwartstauglichkeit überprüft werden. Im Wien Geschichte Wiki sind nur vier klassische Durchhäuser vermerkt (Lesetipp: Wien Geschichte Wiki, Durchhaus). Wir haben noch drei weitere Passagen, bei denen man unter einem Haus durchgeht – wir zählen also SIEBEN Schlupflöcher im Siebten (wir lieben es, wenn sich das mit den Zahlen so schön ergibt); wir beginnen aber mit den offiziellen Durchhäusern.

Der Adlerhof

Der Adlerhof kann von der Burggasse 51 oder von der Siebensterngasse 46 aus beschritten werden. Er ist das längste Durchhaus im 7. Bezirk.
Den Namen Adlerhof kennt man seit einigen Jahren wegen des gleichnamigen Cafés, das in der Burggasse liegt und dessen Wendeltreppe mit ganz viel Urban-Gardening- und Pflanzenliebe-Vibes die Instagram-Accounts der Besucher*innen füllt.

Eingang zum Adlerhof, der die Siebensterngasse mit der Burggasse verbindet. Foto: © Veronika Fischer
Der Adlerhof ist das längste Durchhaus in 1070 Wien und verbindet die Siebensterngasse mit der Burggasse. Foto: © Veronika Fischer

Von der Burggasse aus gelangt man über fünf Höfe und zahlreiche Stiegenabsätze, die das Niveau der beiden Gasse ausgleichen, in die Siebensterngasse. Beim Heraustreten aus dem Adlerhof sieht man geradeaus (leicht links) sofort den Siebensternplatz. Von hier aus gesehen rechts ist es nur ein paar Meter bis zu vomFASS Wien-Neubau.

Lesetipp: Wien Geschichte Wiki, Adlerhof

Das Schottendurchhaus

Das Schottendurchhaus verbindet die Neustiftgasse 16 mit der Lerchenfelder Straße 13. Die Miethäuser wurden zwischen 1847 und 1848 erbaut, die Häuserfronten sind unterschiedlich gestaltet. Details dazu finden sich im Architektenlexikon beim Eintrag zum Bauherren und Architekten August Engelbrecht. Die Innenhöfe der Häuser, in denen sich neben Wohnungen auch Shops und Lokale befinden, sind begrünt und eine absolute Oase. Die „Gastwirtschaft im Durchhaus“ gibt es in der einen oder anderen Form schon seit 1848.

Die Gastwirtschaft im Durchhaus in der Neustiftgasse 16 findet man in einem begrünten Innenhof. Foto: © Veronika Fischer
Beim Eingang ins Durchhaus von der Neustiftgasse 16 aus kommt man gleich zum Gastgarten der „Gastwirtschaft im Durchhaus“, danach geht’s weiter bergauf Richtung Lerchenfelder Straße. Foto: © Veronika Fischer

Die Statue des Heiligen Nepomuk, der man auf dem Weg von der Neustiftgasse in die Lerchenfelder Straße zwangsläufig begegnet, ist zwar nur eine Kopie des 1862 aufgestellten Originals, jedoch erinnert sie noch genauso an das Ereignis, die zur Errichtung führte: Nach einer Überflutung durch den Ottakringer Bach wurde der Schutzpatron gegen Überschwemmungsgefahr aufgestellt.

Statue des Heiligen Nepomuk hinter einem Holzzaun im Schottenhof in 1070 Wien. Foto: © Veronika Fischer
Der Heilige Nepomuk soll den Schottenhof eigentlich nur vor Wassergefahren schützen, aber vielleicht wirft er auch ein wachsames Auge auf das Fahrrad. Foto: © Veronika Fischer

An der Adresse genau daneben – in der Lerchenfelder Straße 15 – stand früher das Geburtshaus von Johann Strauss Sohn. Eine Gedenktafel an der Hausmauer erinnert an den berühmten Bewohner.

Quellenhinweis: Wien Geschichte Wiki, Schottendurchaus

Der Löwen-Hof

Um sich selbst zu verbildlichen, wie der Löwen-Hof zu seinem Namen kam, muss man ihn von der Mondscheingasse 3 aus betreten. Drei imposante Löwenköpfe schauen von der Hausfassade herab (naja, eher geradeaus). Besser zu sehen ist der „blühende Baum“, der die Fassade ziert, direkt neben dem Eingangstor. Wer das Durchhaus nutzt, kommt in der Kirchengasse 19, gleich neben Disaster Clothing, wieder heraus. Theoretisch! Denn als ich den Test gemacht habe, waren beide Eingangstüren zu. Ein Durchhaus ohne Durchgang also.
Die Löwenköpfe, die auf der Fassade in der Kirchengasse einst angebracht und auf diesem Foto bewundert werden können, gibt es hier nicht mehr zu sehen.

Lesetipp: Wien Geschichte Wiki, Löwen-Hof

Die drei Löwenköpfe an der Hausfassade in der Mondscheingasse 3 geben einen Hinweis auf den Namen des Hauses: Der Löwen-Hof ist ein Durchhaus in 1070 Wien. © Veronika Fischer
Die drei Löwenköpfe an der Hausfassade in der Mondscheingasse 3 geben einen Hinweis auf den Namen des Hauses: Löwen-Hof. © Veronika Fischer
In der Mondscheingasse 3 ist ein "blühender Baum" aus Stein an der Hausfassade. Foto: © Veronika Fischer
Der „blühende Baum“ ist leichter zu entdecken als die Löwenköpfe. Foto: © Veronika Fischer

Durchhaus von der Neubaugasse in die Seidengasse

Von der Neubaugasse aus, gleich rechts neben dem Reformhaus Buchmüller, sieht man unterhalb der Hausnummer 17–19 zwei der klassisch-blauen Hinweisschilder: „Durchgang zur Seidengasse“ und „Zur Ahornergasse“ verraten, wohin der eher unscheinbare Weg führt. Der ruhige, begrünte Innenhof ist ein öffentlicher Durchgang. Trotzdem fühlt man sich dem Flüsterton verpflichtet, wenn man hier durchgeht, weil man doch sehr nah an den Fenstern des Wohnhauses vorbeiflaniert. Schön ist es hier!

Ansicht des Innenhofs vom Durchhaus von der Neubaugasse in die Ahornergasse in 1070 Wien. Foto: © Veronika Fischer
So schön ist der Innenhof des Durchhauses, das die Neubaugasse mit der Ahornergasse verbindet. Foto: © Veronika Fischer

Schleichwegerl von der Lindengasse in den Jenny-Steiner-Weg

Gern genutzt wird auch der Durchgang von der Lindengasse, wo auf der Höhe der Andreasgasse (auf der linken Seite) nach rechts ein Durchgang in den Jenny-Steiner-Weg führt. Geht man den zu Ende, gelangt man an das Gassenkreuz Seidengasse/Ahornergasse/Hermanngasse und kann hier entscheiden, ob man geradeaus weiter, am Magistratischen Bezirksamt vorbei, in die Burggasse geht oder doch gleich rechts in die Ahornergasse biegt, um dort das oberhalb beschriebene Durchhaus zu nutzen und so in die Neubaugasse zu gelangen.

Von der Lindengasse führt ein Durchhaus bei Haus Nr. 50 direkt zum Jenny-Steiner-Weg auf der anderen Seite. Foto: © Veronika Fischer
Von der Lindengasse führt ein Durchhaus bei Haus Nr. 50 direkt zum Jenny-Steiner-Weg auf der anderen Seite. Es ist der hier am Bild schattige Durchgang. Foto: © Veronika Fischer

Unter der Hausbrücke fließt der Verkehr von der Lindengasse in die Stollgasse

Das einzige von Kfz befahrbare „Durchhaus“ liegt an der Kreuzung Schottenfeldgasse und Lindengasse. Der Wiener Gemeindebau wurde in den 1950er Jahren errichtet. Erst durch ihn wurde eine Verbindung von der Lindengasse in die Stollgasse erschaffen. Mehr Infos zu diesem Bau, der Architektur und der Stützkonstruktion, die das Haus die Straße überbrücken lässt, finden Interessierte auf der Website von Wiener Wohnen zur Stollgasse 1.

Auf der Kreuzung, in der die Lindengasse in die Stollgasse übergeht, fährt man unter einem Haus der Gemeinde Wien durch. Foto: © Veronika Fischer
Auf der Kreuzung, in der die Lindengasse in die Stollgasse übergeht, fährt man unter einem Haus der Gemeinde Wien durch. Foto: © Veronika Fischer

Das MuseumsQuartier

Das bekannteste Gebäude bzw. der bekannteste Gebäudekomplex im 7. Bezirk, durch den man einfach durchspazieren und von der Vorderseite zur Rückseite – und umgekehrt – gelangt, ist das MuseumsQuartier. Vom 7. Bezirk kommend, geht man die Siebensterngasse hinunter, bis der 49er eine Biegung in die Breite Gasse macht. Hier sieht man gleich rechts das Glacis Beisl und links daneben einen kleinen Stiegenaufgang, den man nach oben geht und dann einfach am Gebäude links vorbei, bis man die Stiegen hinunter in den Hof 1 des MQ sieht. An der markanten Fassade des mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien geht man Stufe für Stufe hinunter in den Hof und kann sich für den Weg geradeaus zum Haupteingang oder die Route zu einem der Seitenausgänge rechts (Richtung Mariahilfer Straße) und links (Richtung Volkstheater) entscheiden.

Von der Breite Gasse gibt es ein Schleichwegerl gerade durch zum Museumplatz. Foto: © Veronika Fischer
Von der Breite Gasse gibt es ein Schleichwegerl gerade durch zum Museumplatz. Foto: © Veronika Fischer

Der Vision eines Machers entsprungen

Den Eingang von der Breite Gasse ins MQ verdankt Wien übrigens dem damals, beim Umbau des MuseumsQuartiers in seine heutige Form amtierenden Bezirksvorsteher von Neubau – Herbert Tamchina. Er bestand auf die Entriegelung der Häuserfront.

Auszug aus dem im7ten-Interview mit Herbert Tamchina aus dem Jahr 2019

Ich habe sehr gut mit der Errichtungsgesellschaft zusammengearbeitet und hatte unter anderem den Wunsch, eine Öffnung des MuseumsQuartiers vom 7. Bezirk aus zu machen. Denn bis dahin gab es nur den Eingang von der Mariahilfer Straße und der Burggasse. In der Breite Gasse war hier eine Mauer, ein Riegel! Ich habe darauf bestanden, dass ein Zugang von der Breite Gasse gemacht wird, sodass man vom Siebenten aus über Stiegen ins MuseumsQuartier kommt.
Die Errichtungsgesellschaft hat einen provisorischen Holzsteg gemacht, den wir mit Bier und Würsten eröffnet haben. Als ich etwas vor Beginn der Eröffnungsfeier hinkam, standen dort 20, 25 Leute mit Transparenten und schimpften. „Na da wird’s Dir heute gut gehen“, hab ich mir gedacht, aber als Zeit für die Eröffnung war, kamen zirka 200 Leute vom Spittelberg. Auf einmal konnte man die Bürgerinitiative nicht mehr sehen. Die waren fort. Es war dann ein riesen Festl.“

Das ganze Interview kann man im Blogpost Herbert Tamchina – der Advokat des MQ bei uns auf im7ten.com nachlesen.

Durchkreuzen und abhaken

Nachdem wir nun wissen, dass das Durchhaus etwas Ur-Wienerisches ist, hoffen wir, unseren Leser*innen Lust darauf gemacht zu haben, das eine oder andere Durchhaus zu durchscheiten und den Bezirk auf diese Weise zu durchkreuzen. Dann kann man dieses Wien-to-do auch auf der Muss-man-mal-gemacht-haben-Liste abhaken – oder die Schleichwegerlnutzung regelmäßig in den Alltag einbauen.

Titelbild: Im Schottenhof sieht man auch die für alte Wiener Innenhöfe typischen Pawlatschen.

Text und Fotos: Veronika Fischer

Veronika Fischer ist für im7ten bei den Kaufleuten am Neubau unterwegs. Foto: Rotraud Priesner
Veronika Fischer

... liebt das Kreative und Ungewöhnliche. Erzählt den im7ten-Leser*innen am liebsten Unternehmer*innen-geschichten, die man beim Einkaufen im Grätzl sonst nicht so schnell erfährt. Was sie sonst noch macht, kann man auf vlikeveronika.com/ueber nachlesen. Foto: © Rotraud Priesner

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LESETIPPS

Die Straßenbahnlinie 49 fährt zwischen Volkstheater und MuseumsQuartier hinauf Richtung Urban-Loritz-Platz. Foto: © Veronika Fischer

Sieben wissenswerte Fakten über den 7. Bezirk

Du gehst auch so gerne wie wir im 7. Bezirk essen und spazierst danach mit deinen Freund*innen durch die Gassen? Da ist es immer gut, ein paar wissenswerte Fakten aus dem Hut zaubern zu können. Wir haben sieben wissenswerte Fakten über Wien-Neubau für dich gesammelt, die du dir leicht merken kannst.

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