1945 in der Seidengasse.

Was haben Ingeborg Bachmann, die amerikanische Besatzungszone und die Seidengasse gemeinsam?

Hier ist der österreichische Sender Rot-Weiß-Rot! Möge dieses Medium dazu beitragen, die Österreicher zu einem gut unterrichteten Volk zu machen. Mit diesen Worten eröffnete der US-amerikanische Generalmajor den Sender Rot-Weiß-Rot.

Die Rundfunkanstalt begann am 6. Juni 1945 mit Ausstrahlungen über den von der US-amerikanischen Besatzungsmacht zunächst in Salzburg eingerichteten Sender.

Die Amerikanische Zone umfasste Salzburg, dem südlich der Donau liegenden Oberösterreich, sowie auch Teile von Wien, unter anderem den 7. Wiener Gemeindebezirk Neubau.

Nach einigen Monaten, nämlich im November 1945, wurde auch in Wien, in der Seidengasse 13, eigens für Rot-Weiß-Rot ein Studio eingerichtet und der Schwerpunkt des Senders dorthin verlegt. Das Büro, beziehungsweise Aufnahmestudio, befand sich im ersten Stock also über dem heutigen Literaturhaus.

Darauffolgend wurde versucht, meinungsbildende, dem amerikanischen Vorbild dienende Sendungen und Formate auszustrahlen. Dieses Konzept stieß allerdings in der Bevölkerung auf erhöhte Skepsis und erst neutralere Konzepte konnten die Leute begeistern. Die Große Chance mit Maxi Böhm, sowie bissigere Formate wie Der Watschenmann, oder die Familienserienreihe Unsere Radiofamilie, schafften es, ein großes Publikum an sich zu ziehen. In Wien kam es sogar zu einer Einschaltquote von ca. 75%.

Da Amerikaner eine langjährige Erfahrung mit dem Umgang von Rundfunk hatten – den Programmen lagen meist amerikanische Formate zu Grunde – und außerdem vorwiegend den Führungsstab im Sender stellten, mussten sie nicht auf die offensichtliche Zensurpolitik der Sowjetunion zurückgreifen.

Auch wenn das damalige Programm des Senders geradezu revolutionär war, wurde über dieses Medium dem Kalten Krieg schuldende Propaganda betrieben. Zwar schalteten die Amerikaner ihre Propaganda um einiges subtiler, als ihre sowjetischen Kollegen (Radio Wien, etc. …), dennoch ging es sogar soweit, dass ein Mitarbeiter des Senders fast seines Arbeitsplatzes verwiesen wurde, da er sich Schmalz von einer sowjetisch-kooperierenden Greißlerei, einem USIA Betrieb, lange Zeit bevor er für Rot-Weiß-Rot zu arbeiten begann, geholt hatte.

Die Einflussnahme über Formate im Rundfunk war eines der stärksten Mittel im Kalten Krieg zwischen Ost und West.

Und so spielte auch die gern gehörte Radiofamilie eine wichtige, meinungsbildende Rolle. Konzipiert wurde die Sendereihe 1951 von Jörg Mauthe und Peter Weiser, österreichischen Journalisten, welche neben anderen als ständige Autoren tätig waren. Eine Autorin davon war Ingeborg Bachmann. Die damals 26-Jährige sah ihre zweijährige Zeit als Radioredakteurin bei Rot-Weiß-Rot allerdings als eine rein wirtschaftliche Notwendigkeit, welche nicht extra in ihrem Lebenslauf angeführt werden müsse. (So geht es aus Briefen an Paul Celan hervor.) Von ihr stammen allerdings 11 Sendungsmanuskripte zur Familienserie, sowie der Charakter des Onkels Guido, einem Nazi, welcher sich nach Kriegsende in einer Opferrolle sieht.

1955 nach Abzug der Besatzungsmächte wurden die verschiedenen Sender wieder dem Österreichischen Rundfunk, nicht mehr zensiert von der Sowjetunion, unterstellt.

Fazit: Wer hätte angenommen, dass vor nicht allzu langer Zeit in der Seidengasse österreichische Radiogeschichte geschrieben wurde? Eine kleine Tatsache mit bedeutsamer Tragweite.

 

Quellen: Mediathek Österreich, FAZ

Miriam Tsekas

Die Germanistikstudentin liebt die Natur sowie die Kultur gleichermaßen. Ihr Bestreben, in der Kultur schöpferisch Fuß zu fassen und für eine breite Allgemeinheit tätig zu werden, hat sie in der Recherche am Volkstheater bereits verwirklicht. Was die Natur anbelangt, geht ihr aber weiterhin nichts über einen regennassen Sommertag oder schneebedeckte Berge. Derart minimalistisch und existenziell kann das Schreiben also sein und wer sich davon selbst ein besseres Bild machen möchte, liest am besten gleich auf www.im7ten.com nach ☺

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