Ein Geheimtipp für Nachteulen, Gesellschaftsspieler und Bio-Esser.
Das Café Go West in der Westbahnstraße 37 ist wirklich kein gewöhnliches Café und das wird sie spätestens dann nicht mehr wundern, wenn Sie seine Inhaberin kennenlernen: Irene Pelko ist der Inbegriff einer guten Gastgeberin, die mit Herz, Fingerspitzengefühl und Verstand ein Lokal führt, das ich nicht anders als mit Begriffen aus der Musik beschreiben kann: Das Kaffeehaus ist die tragende Melodie, die Bar-Komponente liefert den sanften Bass-Ton und die Gasthaus-Facette ist das energetische Orchester. Alles in Dur. Alles legato – fließend, ein großes Ganzes ergebend.
Das Café hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich, die bereits vor sechzig Jahren begann. Bekannt als Café West war es vor mehreren Jahrzehnten unter anderem Treffpunkt für den Honda-Motorradclub, der auch die 16- oder 17-jährige Schülerin Irene faszinierte. Auf ihrem Heimweg von der Handelsschule über den Westbahnhof in ihr niederösterreichisches Zuhause, verbrachte sie oft Stunden in ihrem Stammlokal. Zu Beginn der 1990er-Jahre, beruflich schon fest im Gastgewerbe verankert, erfuhr sie, dass das Café West zum Verkauf stand und wagte, mit der tatkräftigen Unterstützung ihres Mannes Stanislav, den Schritt in die Selbstständigkeit als Gastronomin. Ein finanziell sowie körperlich anstrengendes erstes Jahr inklusive halbjährigem Totalumbau folgte, doch das Konzept der Unternehmerin trug Früchte und sie verwandelte das Lokal in ein charmantes Café. Der Name, der vielen Gästen ein Begriff war, wurde nur minimal verändert und aus dem Café West wurde das Café Go West. Und so kennt man es seit mittlerweile 25 Jahren.
Willkommen ist hier jeder, denn das Lokal ist ein GASThaus im wahrsten Sinne. Eine offene Atmosphäre macht das Café Go West ansprechend für alle Alters- und Berufsgruppen – Nationalität und politische Gesinnung sind hier private Nebensache… im Zentrum steht der Kunde, der kommt, um zu genießen und ein wenig zu verweilen – ob in der freundlichen Ecke des Lokals, wo ein Regal mit Gesellschaftsspielen steht, vor dem Fernsehgerät, das für die Fußball-EM im Frühsommer und die Olympiade angeschafft wurde oder auch im Schanigarten, von dem aus man das rege Treiben der Westbahnstraße beobachten kann.
Irene Pelko ist eine Meisterin ihres Faches, wenn es darum geht auf Gästewünsche einzugehen: „Wenn zwei Gäste nach Soja-Milch fragen, ist es für mich ein Grund Soja-Milch einzukaufen und zu probieren, ob weiter danach gefragt wird. Ich bin konsequent und versuche es lange.“ Auch veganes Essen wurde nachgefragt – ein Signal für die Unternehmerin, sich auch in dieses Gebiet einzuarbeiten. „Ich gehe auf die Wünsche der Gäste ein und bleibe dran.“ Es ist ihr Herz, das im Café Go West pulsiert und genau deshalb bleibt das Kaffeehaus auch so lebendig und wandelbar. Sie probiert gerne Neues und lässt sich dabei mit Vorliebe von ihrer Tochter Carina beraten, mit der sie sich – in ihren eigenen Worten – „jugendlich hält“. Flexibilität und Lebensfreude sind hier absolut spürbar, ganz nach dem Motto „geht nicht, gibt’s nicht“. „Wir sind nicht Café, nicht Restaurant, nicht Bar – wir sind alles!“, lacht Irene Pelko und führt mich in den sonnigen Hof hinter dem Lokal, wo mir der Duft von Salbei und Rosmarin, Basilikum und Minze in die Nase steigen.
In Töpfen und Steigerln pflanzt die Gastronomin alle Kräuter an, die sie für das täglich wechselnde Menü benötigt. Jahreszeitentsprechend und angebotsabhängig plant sie das Mittagsmenü, das entweder aus Suppe und Hauptspeise oder Haupt- und Nachspeise besteht und stellt den Plan auch gern mal flexibel hinten an, wenn ihr das Wetter einen Strich durch die Rechnung macht – ebenso heute, wo sie einen knackigen Sommersalat geplant hatte und nun doch auf wärmenden Cremespinat mit Rösti und Spiegelei umschwenkt, weil ein frischer Wind durch Neubau weht.
Frisches, saisonales Gemüse bringt sie auch aus ihrem Bio-Garten, außerhalb von Wien, mit und verkocht es zu wohlschmeckenden Gerichten. Irene Pelko folgt damit aber definitiv nicht bewusst dem Zeitgeist für gesundes Essen, sondern vielmehr ihrem Hausverstand, der ihr gebietet vorhandene Ressourcen zu nutzen. Somit werden Sie auch auf keiner Speisekarte und keinem Schild den Hinweis finden, dass hier mit regionalen und saisonalen „homegrown“ Produkten gekocht wird. Stammgäste wissen es und nun auch viele im7ten-LeserInnen, die sich hoffentlich bald ein Bild vom Café Go West machen – besonders jetzt, wo der Schanigarten noch geöffnet hat.
Ob auf einen Hugo mit selbstgezogener Minze aus dem Garten, die kaltgerührte Köstlichkeit eines Crema caffè von Segafredo, die selbstgemachten Cookies von Irenes Tochter Carina oder eine Portion Hausmannskost – Sie sind hier, im quasi erweiterten Wohnzimmer von Irene Pelko, gerne gesehener Gast. Und wenn Sie Interesse bekunden, dann dürfen Sie und die anderen Gäste sich auch im kommenden Herbst/Winter, so wie im Vorjahr, wieder über einen Cello-Brunch freuen, der sich gerade in der Ideen-Pipeline befindet.
Nachteulen-Tipp
Unweit der Stadthalle gelegen, ist das Café Go West ein absoluter Geheimtipp für ein g’miatliches Bier nach einem Konzert. Täglich bis 2 Uhr geöffnet.
Café Go West
Westbahnstraße 37
1070 Wien
Öffnungszeiten:
Montag – Freitag von 8:00 – 2:00 Uhr
Samstag und Sonntag von 9:00 – 2:00
P.S.: Für SpätaufsteherInnen, SchichtarbeiterInnen und generelle Frühstücks-LiebhaberInnen wird selbiges ganztags serviert. Feiern in größerer Runde kann man hier ebenfalls sehr gut, denn es gibt kein Umsatzminimum! Sowohl für RaucherInnen und Nicht-RaucherInnen gut zu wissen: Rauchen ist erlaubt.
Fotos: Veronika Fischer